Was aus der Jugend wird: Ein Land ohne Zukunft

Gastbeitrag von Meinrad Müller

In den Achtzigerjahren lag ein besonderes Gefühl in der Luft – eine unaufdringliche Energie, die es schien, fast greifbar zu sein. Wer bereit war, sich einzusetzen, konnte etwas aufbauen. Doch heute hat sich dieser Ton verändert. Die Politik hat den jungen Menschen den Mut systematisch genommen. Die Wirtschaft schwankt wie ein Tisch mit einem kaputten Bein. Es ist verständlich, wenn die Jugend sich fragt: Wo soll man beginnen? Viele sind voller Elan und Hoffnung, doch ein WG-Zimmer für 750 Euro monatlich zehrt an dieser Energie schneller als sie wachsen kann. Ein Land, das seine jungen Leute so ausbremst, verliert Stück für Stück die Zukunft seiner Kinder.

Als ich in Berlin junge Menschen mit Rucksack und Plänen sehe, erinnere ich mich an meine ersten Schritte 1975 in einer neuen Stadt. Man will nicht viel – nur einen Platz, um die Taschen abzulegen, bevor man ins Leben startet. Diese Frage ist alt, doch heute noch aktuell. Vor über 175 Jahren standen junge Amerikaner an genau diesem Punkt: Tatkraft, aber kein Anker. Die Antwort hieß YMCA – ein Zuhause auf Zeit mit nur dem Wichtigsten: einem Bett, einer Dusche und Menschen, die zu Ersatzfamilien werden. So etwas ist in den USA möglich, wo ein Sozialprojekt zum Welthit wird.

Vor 52 Jahren wohnte ich drei Monate im Kolpinghaus in Augsburg – kein Luxus, aber eine Basis. Frühstück für 150 Mark, abgewetzte Stühle und das leise Klirren der Teller. So etwas bleibt hängen, auch wenn das Leben in alle Welt führt. 1978 kam dann das Lied YMCA, ein Refrain voller Hoffnung: „Young man, there’s no need to feel down.“ Ein fröhlicher Ruf, der erinnert an die Wichtigkeit des Anfangs. Heute existieren weltweit über 2600 YMCA-Häuser, in fast 10.000 Städten. Jedes Jahr finden 20 Millionen Menschen dort einen Start. In Deutschland heißen sie Christlicher Verein junger Männer (CVJM), mit demselben Gedanken: ein Zimmer, ein Tisch, ein Gespräch. Und der Moment, in dem jemand merkt, dass er seinen Weg finden kann.

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