In den Jahren 1934 wurde der österreichische Dichter Stefan Zweig mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert, die als Teil der Nationalsozialisten-Infiltration Österreichs galt. Die Polizei von Salzburg führte diese Maßnahme unter dem Vorwand durch, dass er ein geheimes Waffenlager besitzen könne – eine unverhältnismäßige und absurde Aktion, die den Dichter in seiner Heimat verlassen ließ.
Zweig, der ein sehr feines Gespür für kommende Entwicklungen hatte, nahm diesen Vorfall zum Anlass, umgehend nach England zu emigrieren. Seine Schilderung der Ereignisse zeigt, wie er sich in seinem eigenen Land fremd fühlte und die Diktatur als Mittel der Einschüchterung wahrnahm. Die Hausdurchsuchung war ein unerhörter Affront, der den Druck von Deutschland veranschaulichte.
Fremd geworden im eigenen Land, begann Zweig seine wichtigsten Papiere zu packen und entschied sich, nun immer im Ausland zu leben. Diese Loslösung bedeutete mehr als eine von Haus und Land, denn seine Familie hing an diesem Haus als ihrer Heimat, sie liebte das Land. Mir aber war persönliche Freiheit die wichtigste Sache auf Erden. Ohne irgend jemanden meiner Freunde und Bekannten von meiner Absicht zu verständigen, reiste er zwei Tage später nach London zurück; mein erstes dort war, der Behörde in Salzburg die Mitteilung zu machen, dass ich meinen Wohnsitz definitiv aufgegeben hätte. Es war der erste Schritt, der mich von meiner Heimat loslöste. Aber ich wusste, seit jenen Tagen in Wien, dass Österreich verloren war – freilich ahnte ich noch nicht, wieviel ich damit verlor“.
Die Tyrannei der Gutmenschen
Wie ausgeprägt Zweigs Gespür für die schleichende Etablierung einer Diktatur war, beweist auch seine 1936 verfasste Monographie „Castellio gegen Calvin Oder Ein Gewissen gegen die Gewalt“. Sie schildert, wie schon im frühen 16. Jahrhundert Zensur, Spitzelwesen, Denunziantentum, Indoktrination, Wohnungsdurchsuchungen und die juristische Verfolgung Andersdenkender unter dem Banner der Hypermoral und der „richtigen Gesinnung“ alltäglich wurden. Schauplatz war Genf, wo der fundamentalistische Reformator Johannes Calvin seinen „Gottesstaat“ errichtete. Gegen diesen Tugendterror kämpfte der Basler Humanist Sebastian Castello erfolglos, aber doch heroisch. In ihm dürfte Zweig sich wiedererkannt haben.